Der Weg für die Einführung der Mülltonne auch im Umland von Hannover ist überraschend frei: SPD und Grüne haben ihren bisherigen Widerstand gegen die Tonnenabfuhr aufgegeben, die Mehrheitsgruppe in der Regionsversammlung schließt sich nun einer Forderung des Abfallwirtschaftsverbandes aha an. aha-Chefin Kornelia Hülter hatte unter Hinweis auf die gesundheitlichen Belastungen der Müllwerker eindringlich dafür geworben, sich vom Modell der Sackabfuhr zu trennen, und den Bürgern zunächst auf freiwilliger Basis die Tonne anzubieten. Die Stimmung in der Fraktion ist recht eindeutig zugunsten der Tonne, sagte der Fraktionschef der SPD, Bodo Messerschmidt. Man bewerte die Interessen der aha-Mitarbeiter sehr hoch. Viele Müllwerker litten unter Rücken- und Skeletterkrankungen. Das Heben der bis zu zehn Kilo schweren Säcke und das Wuchten derselben auf die Müllwagen bringe erhebliche gesundheitliche Belastungen mit sich. Auch der aha-Personalrat hatte argumentiert, wenn es überall die Tonne gäbe, wäre die Arbeit viel einfacher, weil nichts mehr gehoben werden müsste. Die neue Initiative sehe vor, die Tonne auf freiwilliger Basis anzubieten, stellte Messerschmidt klar, der in Neustadt wohnt und selbst auch eine Tonne haben will. Niemandem soll etwas aufgezwungen werden, meinte er. Es gehe aber auch darum, für die gesamte Region ein einheitliches Gebührensystem einzuführen. Damit grenzte sich Messerschmidt vom Abfallexperten der SPD-Regionsfraktion, Wilhelm Behne, ab, der sich massiv für die Beibehaltung der Sackabfuhr eingesetzt hat. SPD und Grüne hadern noch mit dem Problem der Mülltrennung. Das funktioniert bei den Säcken besser als bei der Tonne, sagte der Fraktionschef, Raoul Schmidt-Lamontain. Dafür müsse es noch Lösungen geben. Möglich sei beispielsweise der stärkere Einsatz von Müllberatern. Auch das von SPD und Grünen geplante Messen der Müllmenge bei den Restmülltonnen könnte zur Müllvermeidung beitragen. Bei der Einführung der freiwilligen Mülltonne im Umland soll bei allen Tonnen die Müllmenge gemessen werden, also auch in der Landeshauptstadt. Die Verwaltung und aha sollen sich über verschiedene technische Möglichkeiten Gedanken machen. Eine Variante ist, jede Tonne mit einem Chip zu kennzeichnen und vom Hebearm des Müllwagens automatisch wiegen zu lassen. Bereits vor wenigen Tagen hatte sich die FDP-Fraktion für die freiwillige Einführung der Restmülltonne ausgesprochen. Wenn keine bedeutenden Mehrkosten entstünden, müssten Bürger die freie Wahl haben, meinte FDP-Fraktionschef Dieter Lüddecke. Die Linke fordert, nach und nach in der ganzen Region die Tonnen einzuführen, einer zunächst freiwilligen Tonnenabfuhr will sie aber zustimmen, sagte Michael Braedt. Die CDU, die die Tonne für das Umland bisher strickt abgelehnt hat, will das Thema noch diskutieren. aha steht jetzt vor einer schwierigen logistischen Herausforderung und muss für die Umlandkommunen zwei Mülltouren planen, eine für Tonnen, eine für Säcke. Außerdem gibt es noch den Auftrag für ein einheitliches Gebührensystem. Zusätzlich müssen die Experten den Politikern vorschlagen, wie das Müllvolumen gemessen werden kann. Wie es gehen könnte, zeigt seit vielen Jahren der benachbarte Landkreis Schaumburg. Dort wird jede Tonne per Strichcode, künftig per Computerchip bei der Abfuhr gescannt. Für jede Restmülltonne müssen mindestens 16 Leerungen pro Jahr gezahlt werden. Wer mehr Müll hat, kann die Tonne öfter leeren lassen. Im Landkreis Schaumburg gibt es das System schon seit rund zehn Jahren. Damals war die komplette Müllabfuhr von Sack auf Tonne umgestellt worden.
10.11.2010 / HAZ Seite 15 Ressort: HANN